Vor einem Jahr habe ich meine Promotion abgeschlossen. Ein Abschluss, der sich nicht wie ein Erfolg anfühlte, sondern wie das Ende eines jahrelangen Machtkampfs. Mein Doktorvater hat die Promotion wiederholt verzögert, indem er mich hingehalten und mit Aufgaben überfrachtet hat, die weit über meine Pflichten hinausgingen. Ich musste an seinen Drittmittelanträgen mitarbeiten, übermäßig viele Seminare übernehmen und Nebenprojekte bearbeiten. Das waren alles Aufgaben, die wenig mit meiner Promotion zu tun hatten. Das letzte halbe Jahr wurde zur Hölle: Er schrie mich regelmäßig an, überhäufte mich mit Arbeit und drohte, meine Promotion scheitern zu lassen. Nur durch die Unterstützung meines Zweitbetreuers konnte ich mich schließlich lösen und meine Arbeit verteidigen, allerdings mit einer Note, die kaum meine tatsächliche Leistung widerspiegelte. Die Erleichterung über den Abschluss wurde jedoch schnell durch neue Herausforderungen überschattet. Mein Arbeitszeugnis war so schlecht, dass ich es nicht vorlegen kann, und die Personalabteilung der Universität weigerte sich, einzugreifen. Da ich mich aufgrund dieser Erfahrungen bewusst gegen eine Karriere in der Wissenschaft entschieden habe, hoffte ich auf einen Neustart in der Wirtschaft oder im öffentlichen Dienst. Doch meine Erwartungen wurden enttäuscht. Ohne ein vorzeigbares Arbeitszeugnis und mit einer Promotionsnote, die Fragen aufwirft, erlebe ich in nahezu jedem Vorstellungsgespräch die gleichen Reaktionen. Wenn ich ehrlich erkläre, was passiert ist, ernte ich schockierte Blicke und Absagen, da es tabu ist, über einen ehemaligen Vorgesetzten schlecht zu sprechen. Versuche ich hingegen, das Geschehene zu umschreiben und nicht näher ins Detail zu gehen, wird mir unterstellt, ich hätte etwas zu verbergen. Diese Erfahrungen haben mir gezeigt, dass Machtmissbrauch nicht mit dem Abschluss einer Promotion endet, sondern man auch darüber hinaus gebrandmarkt ist und man auch mit langfristigen Auswirkungen auf die Karriere rechnen muss. Ich würde mir wünschen, dass Unternehmen mehr Verständnis zeigen und das Thema mehr Gehör in der Öffentlichkeit findet.
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