Mein Doktorvater, der nach seiner Emeritierung weiterhin an der Uni tätig war, konnte über eine Stiftung Stipendien für eine Gruppe von Doktorand:innen und Postdocs akquirieren. Ich erhielt ein dreijähriges Promotionsstipendium. Von Beginn an fanden die Beratungsgespräche oft in privater Atmosphäre statt, man duzte sich. Nach wenigen Monaten fuhr ich mit ihm (Altersunterschied 40 Jahre) zu einer Konferenz ins Ausland und entgegen meiner Annahme war ich die einzige Studentin aus der Gruppe, die mitkam. Er bot mir an, die Reise dorthin mit seinem Privatauto zu machen und vor Ort in seiner Zweitwohnung zu übernachten. Ich hielt dies für Freundlichkeit und stimmte zu. Auf dieser Reise kam es zu anzüglichen Bemerkungen, er kam unaufgefordert in mein Schlafzimmer, während ich schon im Bett lag, und präsentierte sich zum Frühstück in einem Morgenmantel, unter dem er nichts trug. Er gab mir zu verstehen, dass er neben seiner Ehefrau "Freundinnen" hatte und ich diese Rolle auch einnehmen könnte. Über meine schockierte, deutliche Ablehnung machte er sich bei einem gemeinsamen Essen mit dem Konferenzorganisator lustig. Aus Scham über meine vermeintliche Naivität sprach ich in den folgenden Jahren mit niemandem darüber und hielt von da an, soweit möglich, zu ihm Abstand. Mein Vertrauen zu ihm war zerstört. Als meine Promotion in eine schwierige Phase kam, war seine Betreuung sehr mangelhaft. Am Ende brach ich, schockiert von seinem Verhalten und desillusioniert von den beobachteten Mechanismen im akademischen Betrieb, meine Promotion und meine wissenschaftliche Karriere ab. Diesen Abbruch wollte er über längere Zeit hin nicht akzeptieren, war aber gleichzeitig nicht in der Lage, mir eine gute fachliche Unterstützung zu geben. Beim letzten Gespräch erklärte er mir dann seine Liebe, um mich zum Bleiben zu bewegen. Ich war sprachlos und fühlte mich in meiner Entscheidung nur bestätigt.
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